Es ist interessant, wie viele Menschen sich selbst als „Agile Coach“ bezeichnen. Doch was macht ein Agile Coach genau? Und wie unterscheidet sich ein guter Coach von einem Schlechten? 25 Tipps am Ende des Artikels.
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Was macht ein Agile Coach?
Ein Agile Coach soll Unternehmen dabei helfen, agile Arbeitsweisen zu implementieren. Hierbei geht es nicht nur darum, Teams in der agilen Methodik zu schulen. Der Coach muss richtig tief in den Schlamm hinabsteigen, alte Strukturen aufbrechen und das Unternehmen fit für die Zukunft machen. Der Agile Coach muss also sein Ohr dicht an den Projektteams haben. Gleichzeitig muss er dem Management auf die Finger schauen, dort korrigierend einwirken und somit ein agiles Arbeitsumfeld schaffen. Es geht also um das große Ganze und beinhaltet Agiles Projektmanagement.
- Die Agenda des Agile Coach muss auf die kontinuierliche Verbesserung der gesamten Organisation ausgerichtet sein.
- Hierzu gleicht der Coach permanent ab, welche Etappen bereits erreicht sind und wo noch Handlungsbedarf besteht.
- Ein guter Agile Coach zeigt Teams und Management Verbesserungsschritte auf. Hierzu gehört auch, deren Auswirkungen zu skizzieren.
- Veränderungen lösen häufig Ängste aus. Ein guter Agile Coach ist deshalb einfühlsam und begleitet die Belegschaft aktiv bei der Transformation. Hierzu ist es notwendig, die Firma möglichst lange und detailiert zu kennen sowie ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen.
Die Aufgaben des Agile Coaches sind also durchaus vielfältig und anspruchsvoll. Schließlich muss die agile Arbeitsweise gelernt werden und dieser Prozess benötigt vor allem Zeit und gute Planung. Denn nur so gelingt es, alle Mitglieder durch den Implementierungsprozess zu führen, Mitarbeiter zu ermutigen und auf das große Ziel hin zu arbeiten. Sie müssen der Organisation das gesamte Wissen, die Werkzeuge, die Ausbildung und das Coaching zur Verfügung stellen. Alle Werkzeuge, die notwendig sind, um das volle Potenzial von Agile auszuschöpfen. Dies natürlich immer in Verbindung mit den anderen agilen Akteuren in der Organisation.
Der Nutzen eines Agile Coach
Traditionelle Unternehmen mit langer Historie haben ebenso etablierte Prozesse. Manchmal ist durchaus klar, dass ein Prozess 21 Jahrhundert nicht mehr zeitgemäß ist aber es wird daran festgehalten. Gründe hierfür können sein
- Angst vor Veränderung
- Unwissenheit, welche Auswirkungen die Veränderung in Konsequenz bringt
- Unklare Vorgehensweise – Neuland betreten
- Fehlendes Verständnis (das ist sicher nur ein Trend)
All diese Sorgen bestehen und häufig sind es sogar Kombinationen daraus. Es ist daher immens wichtig, alle Schritte zu kommunizieren und deren Hintergründe transparent zu machen. Es ist uns allen klar, dass die Veränderung der Unternehmenskultur keine triviale Aufgabe ist. Einen organisatorischen Wandel einzuleiten bedeutet, dass man ständig und mit viel Kraft, Formen, Silos und Prozesse durchbrechen muss. Es ist keine Operation am Herzen sondern der Austausch der gesamten DNA. Ein ganzes Unternehmen dazu zu bringen, sich auf ein neues Modell einzulassen und in dieselbe Richtung zu rudern, das jeden Einzelnen direkt und indirekt betrifft, ist Kraftakt. Der Prozess erfordert erhebliche Anstrengungen seitens der Organisation selbst, angefangen beim Management.
Ein Agile Coach hilft bei der Navigation in turbulenten Gewässern, vor allem zu Beginn, wenn der Seegang und die ersten starken Wellen einsetzen und die Organisation den Nutzen und den Wert der Reise, in Frage stellt.
Was macht also ein Agile Coach? Er hält die Organisation zusammen. Ausgestattet mit Ruder und Kompass auf das Endziel gerichtet, plant und begleitet der Coach den gesamten Prozess. Es ist vollkommen klar, dass diese Aufgabe nur von wenigen Menschen wirklich gut ausgefüllt werden kann.
Wie lange braucht man einen Agile Coache?
Die Rolle des Agile Coaches kann zeitlich befristet oder dauerhaft sein, je nach den Bedürfnissen der Firma und dem durchgeführten Veränderungsprozess. Große Konzerne oder Firmen mit mehreren agilen Teams möchten vielleicht einen Agile Coach dauerhaft ins Boot holen, um die Methodik langfristig zu etablieren. In Kleinunternehmen ist es hingegen üblich, Agile Coaches auf Zeit einzusetzen.
Wie bereits erwähnt, sind Agile Coaches nicht nur dafür zuständig, Scrum Masters bei der Organisation agiler Teams zu unterstützen, sondern auch dem Unternehmen dabei zu helfen, „Agile als Kulturwandel“ zu begreifen. Um den maximalen Nutzen daraus zu ziehen, muss ein Agile Coach die Mitarbeiter, das Management und die wichtigsten Stakeholder für sich überzeugen.
Je größer also die Firma, desto länger braucht man einen Agile Coach um alle Äste und Zweige des Unternehmens zu erreichen. Denn es reicht nicht, einen Eimer agiler Theorie über das Unternehmen zu kippen. Die Theorie kann in zwei Tagen gelernt sein. Die Fähigkeit jedoch, diese in anwendbare Prozesse zu gießen, zeichnet die wirklich guten Coaches aus.
Agile Coach-Profile
Es ist weder ein Studiengang noch gibt es eine anerkannte Ausbildung. Der Begriff ist nicht geschützt und jeder darf sich deshalb Agile Coach nennen. Entsprechend viele schwarze Schafe tummeln sich. Ebenso gibt es keinen einheitlichen Ansatz für die Einführung agiler Methoden, so dass jedes Unternehmen seine eigenen Anforderungen an den Prozess stellt. Skizzieren wir hier also das Profil des idealen Bewerbers:
- Kenner: Eine Person, die das Unternehmen in und auswendig kennt. Tiefgreifende Kenntnis ist elementar, weil die Transformation alle Bereiche des Unternehmens berührt. Der Coach muss das Unternehmen deshalb perfekt kennen, mit den Strukturen und der Geschichte vertraut sein.
- Sozialkompetenz: Wir haben gelernt, dass Umbruch und Transformation bei der Belegschaft immer Ängste auslösen. Der Bewerber muss deshalb ein ausgeprägtes soziales Gespür haben. Ideal sind daher Menschen, die sich in ihrer Freizeit sozial engagieren, einen Verein betreuen oder mit Kindern / Erwachsenen / Senioren arbeiten.
- Planerisches Talent. Die Dinge im Blick behalten und selbst in stürmischen Zeiten die richtige Balance finden – darauf kommt es an. Der Bewerber muss deshalb ein ausgesprochenes Organisationstalent sein. Hier bieten sich Menschen an, die aus dem Projektmanagement kommen oder große Veranstaltungen organisiert haben.
- Fachlicher Experte: Nachdem viele Prozesse und damit zwangsläufig auch die Produkte und Dienstleistungen betroffen sind, muss der Bewerber Produkte und Kunden fachlich kennen und einschätzen können.
- Humor: Es mag befremdlich klingen aber eine Spaßbremse wird sich schwer tun, eine ganze Organisation für sich zu gewinnen. Der ideale Bewerber ist deshalb vom Charakter locker und humorvoll und packt mit einer gesunden Portion Optimismus an.
Interessant hierbei ist, dass kein Studiengang auf dieses Profil passt. Es ist daher auch unerheblich, ob die Person studiert oder eine Ausbildung absolviert hat. Mitarbeiter mit Ausbildungsberuf sind oft praktischer orientiert und näher am Puls des Unternehmens. Management orientierte Studiengänge behalten das große Ganze im Auge. Beide Aspekte sind hier gefragt, weshalb Sie die schulische Laufbahn des Bewerbers getrost ignorieren können. Soziale Kompetenz und tiefgreifende Kenntnisse des Unternehmens sind hierbei viel wichtiger.
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Ausbildung
Youtube vermittelt Wissen und es gibt Tonnen an Büchern. Auch Trainings von anerkannten Anbietern versprechen das notwendige Wissen zu vermitteln. Wir sind jedoch davon überzeugt, dass man Agile nicht aus Büchern oder durch Zertifizierungen lernen kann, sondern dass Erfahrung unerlässlich ist. Echte Praxiserfahrung ist gefragt – je mehr, desto besser. Je mehr Situationen ein Agile Coach erlebt hat, desto besser. Und in umso mehr Abteilungen die Person gearbeitet hat, je mehr Teile der Organisationsstruktur kennen gelernt hat, umso besser. Hieran wird schnell klar, dass es keine allgemeingültig Ausbildung geben kann.
Ein Agile Coach muss über fortgeschrittene soziale und kommunikative Fähigkeiten verfügen, um die enge Zusammenarbeit mit Menschen zu meistern. Die Situationen, mit denen der Coach konfrontiert sein wird, erfordern viel Einfühlungsvermögen und eine starke Persönlichkeit.
Verantwortlichkeiten
Die Arbeit des Coaches erfordert enge Zusammenarbeit innerhalb der Organisation von ganz oben bis ganz unten. Sie müssen verstehen, wie man mit Teams, dem mittleren Management sowie mit dem Top Management arbeitet. Zu den Verantwortlichkeiten gehören Prozesse analysieren, Impulse zu Veränderungen geben, Guidelines veröffentlichen sowie Trainings und Workshops halten.
Die Zusammenarbeit mit dem mittleren Management ist besonders fordernd, da sich diese Ebene am häufigsten gegen Veränderungen wehrt, weil man dort Machtverlust wittert.
Bei den Teams liegt der Fokus auf dem Weg zu Eigenverantwortung und Selbstmanagement. Je nach Firma und Vergangenheit kann dieser Umbruch ein absolutes Novum darstellen.
In all diesen Ebenen und Zuständigkeiten, auch dort wo die POs in der Regel angesiedelt sind, findet die Umsetzung der agilen Transformation immer in enger Abstimmung mit den anderen agilen Akteuren statt. Hierzu zählen Scrum Master, Produktmanager und Trainer.
Aufgabenprofil
Zu den häufigsten Aufgaben eines agilen Coaches zählen die folgenden Bereiche:
- Definition und Verbreitung der „agilen Botschaft“ und der für das Unternehmen gewählten agilen Strategie.
- Koordinierung der Integration von verwandten Methoden innerhalb der Firma.
- Entwicklung von Standards und Anforderungen für den agilen Prozess.
- Unterstützung bei der Schulung von Mitarbeitern in Bezug auf den agilen Prozess.
- Unterstützung von Teams beim Umgang mit agilen Tools und Software.
- Förderung des Engagements von Mitarbeitern und Stakeholdern.
- Den kulturellen Veränderungsprozesses der Organisation dokumentieren und reflektieren.
Ebenso wären die wichtigsten Fähigkeiten für die Ausübung der Rolle des Agile Coaches unter anderem die folgenden:
- Erfahrung, Erfahrung und noch mehr Erfahrung mit agilen Methoden und Prozessen.
- Ausgeprägte Kommunikations- und Problemlösungsfähigkeiten.
- Zwischenmenschliche Fähigkeiten.
- Viel Geduld und Durchhaltevermögen.
- Dienender Führungsstil.
- Fehlertoleranz.
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