Aus der Traum – warum “The Line” gestoppt wurde

Das Konzept von “The Line” sah einen XXL Wohnblock vor. Ein Klotz, der sich über eine Strecke von 170 Kilometern durch die Wüste erstreckt, wobei das gesamte Projekt als eine gerade Linie konzipiert wurde. Die Idee war, eine neue Art von Stadt für echte Wüsten-Fans zu schaffen. Doch die Seifenblase ist zerplatzt. The Line wird ausgebremst. 

Gemäß Bloomberg¹ sind beim The-Linie-Projekt einige Schwierigkeiten aufgetreten. Trotz anfänglicher Bedenken von Architekten, Umweltschützern und Ökonomen wurde vor etwa zwei Jahren mit dem Bau dieses Megaprojekts begonnen. Doch nun haben sich die Arbeiten drastisch verlangsamt. Ein Bauunternehmen, das an dem Projekt beteiligt ist, hat bereits eine beträchtliche Anzahl von Arbeitern von der mehrere Kilometer langen Baustelle abgezogen oder sogar entlassen. Diese Informationen sollen auch durch Dokumente belegt sein, die von Bloomberg eingesehen wurden.

 

Die Pläne für “The Line”

  • Länge und Form: “The Line” sollte sich über 170 Kilometer erstrecken – von den majestätischen Bergen von NEOM bis zu den inspirierenden Wüstentälern und der wunderschönen Roten See. Die Stadt sollte ein architektonisches Meisterwerk sein, das 500 Meter über dem Meeresspiegel thront, aber nur 200 Meter breit ist. Eine schmale, spiegelnde Silhouette, die sich im Sonnenlicht der Wüste gigantisch aufheizt.
  • Verkehr und Emissionen: In “The Line” sollten keine Straßen und keine Autos existieren. Die Stadt sollte zu 100% mit erneuerbarer Energie betrieben werden, und 95% des Landes sollten der Wüste vorbehalten bleiben. Die Idee: wer Wüste liebt, wird auch The Line lieben.
  • Gesundheit und Wohlbefinden: Wie auch bei traditionellen Städten sollte in “The Line” die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen im Vordergrund stehen. Die Bewohner sollten Zugang zu allen täglichen Notwendigkeiten haben.
  • Revolutionäre Zivilisation: “The Line” versprach eine neue Art zu leben. Die Stadt sollte unmittelbaren Zugang zur Wüste bieten, die Wüste erlebbar machen. Im inneren des Wohnblocks sollte es Grünflächen auf mehreren Ebenen geben. Die Grüninseln sollten die Luft in The Line filtern. Wichtig, da sich die heiße Wüstenluft nur bedingt zu lüften eignet.

 

Warum wurde das Projekt gestoppt?

Ein 170 km langes Gebäude in der Wüste. 500m Höhe sollte das Gebäude auf gesamter Länge erreichen. Zum Vergleich: der Commerzbank Tower in Frankfurt ist das höchste Gebäude der europäischen Union und mit 259 Metern gerade mal halb so hoch wie The Line. Die Pläne Saudi Arabiens wurden deshalb von Anfang an kritisch betrachtet. Blinder Größenwahn war noch eines der harmloseren Bezeichnungen.

Die Kritiker hatten Recht

Die Kritik bezog sich nicht nur auf die gitantischen Ausmaße der Stadt. Der enorme CO2 Abdruck wurde ebenfalls stark kritisiert. Eine Stadt, die 500m hoch und aus Glas besteht heizt sich im inneren schnell auf. Ein solches Gebäude wäre in Mitteleuropa schon fragwürdig. Doch mitten in der Wüste wäre der Energiebedarf verheerend. Hinzu kommt der enorme CO2 Verbrauch der beim An- und Abtransport von Lebensmitteln und Gütern entsteht. Denn 1,5 Millionen Menschen möchten täglich essen und trinken. Jede Scheibe Brot müsste per Flugzeug nach Saudi-Arabien geflogen und dann bis zu 105 km durch die Wüste transportiert werden. Ökologischer Wahnsinn und damit ein Konzept, welches nicht mehr dem heutigen Zeitgeist entspricht.

NEOM The Line Saudi Arabien

“The Line” gestoppt. Auf diese Aussicht müssen Bewohner jetzt verzichten

Klima in Saudi-Arabien ungeeignet für The Line

Saudi-Arabien hat ein heißes und trockenes Klima, das von Wüstenlandschaften dominiert wird. Die Temperaturen können im Sommer tagsüber leicht über 42 Grad Celsius liegen und in der Nacht stark abkühlen. Die Niederschläge sind hingegen begrenzt. Es regnet nur 44mm pro Jahr. Neben dem enormen Energiebedarf für Klimaanlagen hätte The Line ein zweites Problem: Wasser. Bei 44mm Niederschlag pro Jahr reicht dies nicht mal, um die Verdunstung auszugleichen, die bei der Reinigung der Fassade nötig wird.

Kosten Explosion

Laut Bloomberg sei einer der Gründe für das ausbremsen des Projekts wohl fehlende Milliarden. Die Kosten für das Mega Projekt soll der milliardenschwere Staatsfonds von Saudi-Arabien aufbringen. Die Baukosten werden auf rund 200 Milliarden USD geschätzt. Manche Experten rechnen gar mit dem doppelten. Doch die Bargeldreserven des Projekts sollen Ende 2023 nur 15 Milliarden US-Dollar betragen haben.

Die Ambitionen der Verantwortlichen des NEOM-Projekts wurden offenbar drastisch zurückgefahren. Aktuellen Berichten zufolge gehen sie davon aus, dass bis zum Jahr 2030 wahrscheinlich nicht einmal 1,5 Prozent der geplanten Länge von The Line erreicht werden. Bis dahin könnten lediglich 2,4 Kilometer des Wolkenkratzers fertiggestellt sein, was Platz für 30.000 Menschen anstelle der geplanten 1,5 Millionen bieten würde. Das ist zwar immer noch beachtlich, jedoch weit entfernt von den früheren Ankündigungen.

Als The Line gestartet wurde, befand sich die Welt in einer historisch niedrigen Zinsphase. Für Kapital mussten negativ Zinsen gezahlt werden. Ein Umstand, der Edelmetallen wie Gold oder Silberpreis zu Höchstständen verholfen haben. Doch dieser Umstand hat sich verändert. Ein Blick auf die Bauzinsformel verrät: ein Projekt wie The Line ist vor allem ein finanzielles Risiko. Die Anlage am Kapitalmarkt einfacher und vielversprechender.

  

the line neom projekt gestoppt

Interessante Fakten

  • 1,5 Millionen Menschen: “The Line” sollte letztendlich 1,5 Millionen Menschen auf einer Länge von über 100 km beherbergen.
  • Problem Klima: Die Lage mitten in der Wüste kombiniert mit einer Glas Fassade ist mehr als unglücklich. Das Gebäude würde sich im inneren auf über 60 Grad aufheizen. Projekte wie das Glashaus in Spanien² zeigen, dass ein Leben in der Wüste durchaus möglich ist. Dort jedoch, wurde die Fassade beschattet und ein tiefer Keller genutzt um Temperaturschwankungen auszugleichen. Ein vollkommen anderer Ansatz also.
  • Luftqualität: Durch die Reduzierung der Infrastruktur und den Verzicht auf Autos sollte “The Line” saubere Luft für alle bieten. Pflanzen, die zwischen den zwei 500m hohen Riegeln stehen, sollten die Luft reinigen. Doch auch hier herrschte Skepsis. Auf einer Breite von 10 Meter würden 200 Wohnungen entstehen, Platz für 400 Menschen. Deren Luft soll jedoch von gerade mal von einer Grünfläche 200 x 10 Meter erzeugt werden.
  • Technologie und Natur: “The Line” sollte ein Raum sein, in dem Technologie, Wüste und Komfort in perfektem Gleichgewicht zusammenkommen. Für echte Wüsten-Fans sollte The Line der ideale Ort zum wohnen sein.
  • Wer möchte dort wohnen? Eine Stadt, mitten in der Wüste. Kein Flughafen, keine Möglichkeit zu entkommen. Wer möchte dort wohnen? Der Aspekt, welcher bei der Planung des Projekts vergessen wurde, sind die Menschen. Städte zeichnen sich dadurch aus, gewachsen zu sein. Unterschiedliche Architektur, verwinkelte Gassen. Stadtteile. Zugang zu Parks. Ein XXL-Wohnblock wie “The Line” würden diese Aspekte fehlen. Die Folge ist mangelnde Lebensqualität.
  • Kosten: die anfänglich kalkulierten Projektkosten von 200 Milliarden für 1,5 Millionen Menschen bedeuten, dass eine Wohnung für ein Paar etwa 260.000 USD kostet. Verglichen mit den Wohnkosten in Europäischen oder amerikanischen Städten ist das günstig. Doch die Baukosten explodieren. 400 Milliarden und Schätzungen von 600 Milliarden verhageln das Projekt. Denn es ist fraglich, dass sich Käufer finden, die 780.000 USD zahlen, um in einem Wohnblock in der Wüste zu leben. Mitten im Nirgendwo. Ohne Flughafen, ohne die Möglichkeit, am Wochenende in die Berge zu fahren oder die Freizeit an einem schönen See zu verbringen.

 

Unsere Autoren schreiben in ihrer Freizeit. Danke für's bewerten
[Gesamt: 1 Schnitt: 5]
Von Chris