Interview mit Kanzlei Hechler zu Abmahnungen und Google

Sabrina Fuchs vom Wirtschaftsmagazin Finafix.com hat Herrn Hechler, Rechtsanwalt der renommierten Anwaltskanzlei Hechler interviewed. Es geht um die richtige Reaktion bei Abmahnungen, dem Umgang mit negativen Google Bewertungen und spannenden Anekdoten aus der Kanzlei.

Finafix: Hallo Herr Hechler, Sie führen eine Kanzlei und haben sich auf die Bereiche Abmahnungen und die Entfernung von Internet-Bewertungen, hauptsächlich bei Google, spezialisiert. Warum genau das?

Anwaltskanzlei Hechler:

Zum einen besteht unser Beratungsansatz darin, unser Wissen auf zwei bestimmte Rechtsgebiete zu konzentrieren. Damit erreicht man eine hohe Expertise, die man niemals erreichen könnte, wenn man mehrere Rechtsgebiete bearbeiten würde. Vor 15 Jahren bot sich aufgrund der Abmahnwellen im Bereich Wettbewerbsrecht und Urheberrecht dieses Rechtsgebiet an. Vor zehn Jahren tauchten dann die ersten Bewertungsportale im Internet auf und mit ihnen ein ganz erheblicher Beratungsbedarf für Unternehmen. 

Finafix: Das ist interessant. Wann kann man Bewertungen denn löschen lassen und wie hoch sind die Löschquoten? 

Anwaltskanzlei Hechler:

Da sich durchschnittlich 85-90% aller Google Bewertungen löschen lassen ist es keineswegs schwierig, Bewertungen zu entfernen. Bewertungen lassen sich löschen, weil sie entweder inhaltlich unwahr sind oder sich die bewertenden Personen nicht ausreichend gegen das Löschbegehren der betroffenen Unternehmen wehren. Auf anderen Portalen wie jameda oder kununu sind die Löschquoten nicht ganz so hoch. Dann gibt es noch amerikanische Portale, die es den Unternehmen wesentlich schwerer machen ungerechtfertigte Kritik zu entfernen, weil sie sich nicht ordnungsgemäß an das in Deutschland geltende Prüfverfahren halten.

Finafix: Uns hat kürzlich eine Unternehmerin berichtet, dass Sie nie ein Google Profil angelegt hat aber trotzdem dort gelistet ist. Kunden haben sie darauf angesprochen. Ist das überhaupt zulässig? Was raten Sie betroffenen Firmeninhabern?

Anwaltskanzlei Hechler:

Bei Einführung der Google Dienste wie Maps hat Google die Daten von Unternehmen aus dem Internet übernommen und Profile angelegt. Das ist in Deutschland zulässig, wenn das Unternehmen seine Firmendaten selbst im Internet veröffentlich hat. Insofern kann man sich gegen die generelle Listung auf Google Maps nicht zur Wehr setzen. Allerdings gibt es Wege und Möglichkeiten, einen eigenen Google Eintrag verschwinden zu lassen bzw. unsichtbar zu machen.

Finafix: Kommen wir zu den Abmahnungen. Ein breites Feld…

Anwaltskanzlei Hechler:

In der Tat gibt es Abmahnungen auf verschiedenen Rechtsgebieten. So bearbeiten wir lediglich Abmahnungen aus den Bereichen Urheberrecht, Wettbewerbsrecht und Markenrecht. Mit Verbreitung des Internets ging nicht nur eine große Welle von Verstößen gegen diese Schutzrechte einher, sondern konnten diese Verstöße im Internet auch sehr leicht von den Rechteinhabern entdeckt und verfolgt werden. Man muss unterscheiden zwischen Abmahnungen, die gegen Privatpersonen ausgesprochen werden wie zum Beispiel Abmahnungen wegen Filesharing also wegen der unerlaubten Verbreitung von Musik, Filmen und Spielen über Internet-Tauschbörsen, und Abmahnungen, die nur Unternehmen betreffen, weil sie gegen Wettbewerbsrecht oder Markenrechte verstoßen haben.

Finafix: Abmahnungen sind ganz klar ein Reiz Thema. Niemand verbindet Gutes damit. Wer schon selbst betroffen war – erst Recht nicht. Wie bewerten Sie das Thema Abmahnungen? Schlägt das nicht über’s Ziel hinaus?

Anwaltskanzlei Hechler:

Ohne Rechtsverstoß ist eine Abmahnung undenkbar, sodass keine Abmahnung grundlos oder gar willkürlich ausgesprochen wird. Eine andere Frage ist der Umfang der Sanktionierung der Rechtsverstöße. Hier hat der Gesetzgeber jahrelang versucht, Privatpersonen vor urheberrechtlichen Abmahnungen besser zu schützen, dies nur mit mäßigem Erfolg. Auch hat der Gesetzgeber mehr als 15 Jahre gebraucht, um kleinere Unternehmen und Einzelunternehmer vor Abmahnungen wegen wettbewerbsrechtlicher Kleinstverstöße zu schützen.

Finafix: Ihre Kanzlei bietet Hilfe bei Abmahnungen. Sie raten: Nicht zahlen – nicht unterschreiben. Warum?

Anwaltskanzlei Hechler:

Dieser Slogan bezieht sich lediglich auf die erste Reaktion. Bei Erhalt einer Abmahnung sollte man keinen Schnellschuss machen und nicht sofort unterschreiben und bezahlen. Je nach Rechtsgebiet können die Forderungen teilweise zu umfangreich und deshalb unberechtigt sein, dasselbe gilt für die geforderten Anwaltskosten und sonstige Schäden. Auch die abmahnende Partei ist meist an einer schnellen und einvernehmlichen Lösung gelegen, genau das ist ja das Ziel einer Abmahnung, sodass oft ein Verhandlungsspielraum bezüglich aller Forderungen besteht.

Finafix: Die Betroffenen werden oft zeitlich unter Druck gesetzt. Was kann ich tun, wenn ich aus Angst bereits unterschrieben habe?

Anwaltskanzlei Hechler:

Der Rechteinhaber muss es nach Entdeckung des Rechtsverstoßes und Abmahnung selbstverständlich nicht noch wochenlang dulden, dass seine Rechte fortwährend verletzt werden. Insofern sind die kurzen Fristen nachvollziehbar. Ist bereits eine Unterschrift erfolgt, so stellt sich die Frage was genau überhaupt unterschrieben wurde. Hat man eine Zahlungsverpflichtung unterzeichnet, hat man diese in der Regel zu erfüllen. Dasselbe gilt für eine Unterlassungserklärung. Verträge können nur aus wichtigen Gründen gekündigt werden, deren Voraussetzungen jedoch hier nicht vorliegen. Wer unterschrieben hat, muss sich an seine Verpflichtungen halten.

Finafix: Sie haben Erfahrung mit über 35.000 Abmahnungen. Ganz schön viel. Gibt es einen Fall, an den Sie sich besonders erinnern?

Anwaltskanzlei Hechler:

Diese Zahl bezieht sich auf die Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen durch illegalen Download von Musik und Filmen. Diese Angelegenheiten sind von der Struktur stets gleich. Ein Fall ist mir jedoch schmerzlich in Erinnerung geblieben: ich habe einen Mandanten vor dem Amtsgericht wegen eines illegalen Downloads vertreten. Während des Prozesses stellte sich heraus, dass er mich angelogen hatte, weshalb der Vortrag falsch war. Er schob das mir in die Schuhe. Dennoch leitete die Richterin ein Strafverfahren gegen ihn und mich wegen Prozessbetruges ein, was absurd war, jedoch ein ganzes Jahr dauerte und ohne Konsequenzen dann schließlich eingestellt wurde. Dieser Fall zeigt deutlich, mit welcher krimineller Energie manche Abgemahnte handeln, die in den Medien oft als fälschlich als Opfer dargestellt werden. 

Finafix: Ein Deutscher 3D Druckdienstleister hat eine Abmahnung erhalten, weil eine legal erworbene Domain angeblich Markenrechte in Österreich verletzt. Der 3D Druckdienstleister hat die Herausgabe der Domain angeboten. Doch darum ging es gar nicht – die klagende Partei bestand auf die Zahlung einer hohen Summe. Ist das ein Vorgehen, Abmahnungen aus Profitgründen auszusprechen? Was raten Sie Betroffenen?

Anwaltskanzlei Hechler:

Zunächst sollte ein vernünftig agierender Marktteilnehmer im B2B-Bereich vor Nutzung eines Namens immer erst prüfen, ob dieser Name nicht bereits geschützt ist, denn andernfalls kann es zu einer Abmahnung kommen, wie offensichtlich im geschilderten Fall. Die Verletzung der Marke zieht verschiedene Ansprüche nach sich, insbesondere Unterlassung und Schadensersatz. Hierzu gehört die Löschung der Domain, nicht die Herausgabe. Wer mit der Nutzung einer fremden Marke Profite macht, muss diese an den Markeninhaber herausgeben, so sieht es die Rechtsordnung vor. Sofern der Markeninhaber auf einer hohen Summe bestand, so kann es sich dabei nur um eine fiktive Lizenzgebühr oder den erwirtschafteten Verletzergewinn handeln. Insofern wurde mit der „hohen Summe“ der Schaden des Markeninhabers kompensiert. Auch hier sollte man nicht das Opfer zum Täter machen. Mir ist im Markenrecht kein Fall bekannt, in dem der abmahnende Markeninhaber einen Profit mit einer Abmahnung gemacht hätte, im Gegenteil.

Finafix: Vielen Dank. Wagen wir einen Blick in die Zukunft. Welche Entwicklung sehen Sie im Bereich Abmahnungen / Google Bewertungen für die kommenden Jahre?

Anwaltskanzlei Hechler:

Die Zeiten der Massenabmahnungen im Bereich Filesharing sind zweifelsohne vorbei, hier ist die Zahl der Abmahnungen um mehr als 90% zurückgegangen, was an den zahlreichen Streamingsangeboten sowie der Möglichkeit liegt, einzelne Musikstücke sehr kostengünstig als mp3 zu erwerben. Auch im Bereich Wettbewerbsrecht hat sich nach Änderung des UWG einiges getan, hier sind die beliebten Abmahnungen wegen kleinerer Wettbewerbsverstöße nahezu verschwunden. Hingegen geht uns die Arbeit im Bereich der Löschung von Bewertungen noch nicht aus. Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung hat in den letzten Jahren spürbar zugenommen, was sich auch offensichtlich in vermehrten negativen Bewertungen von Unternehmen niederschlägt. 

Finafix: Herzliche Dank für das interessante Interview. Fünf Sterne und ein „sehr hilfreich“ von unserer Seite.

Unsere Autoren schreiben in ihrer Freizeit. Danke für's bewerten
[Gesamt: 4 Schnitt: 5]
Von Sebastian