Während der Rüstungssektor in Deutschland floriert wie seit Jahrzehnten nicht mehr, sieht es auf dem restlichen Arbeitsmarkt düster aus. Die Zahl der Arbeitslosen ist im Juni 2025 lediglich um 5.000 auf insgesamt 2,914 Millionen gesunken – ein Rückgang, der kaum ins Gewicht fällt.
Im Vergleich zum Juni 2024 sind das 188.000 zusätzliche Menschen ohne Job. Die Arbeitslosenquote stagniert bei 6,2 Prozent. Experten sprechen von einem Warnsignal – nicht von einer Sommerflaute.
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Strukturelle Schwäche statt konjunktureller Delle
Besorgniserregend ist vor allem die Entwicklung im Langzeitvergleich. Zwischen Mai 2022 und Juni 2025 hat sich die Zahl der Arbeitslosen um über 650.000 erhöht. Das entspricht einem Anstieg von über 28 Prozent. Damit wird deutlich: Es handelt sich nicht um eine kurzfristige Schwäche, sondern um eine strukturelle Krise des deutschen Arbeitsmarkts.
„Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung wächst praktisch nicht mehr“, erklärt Andrea Nahles, Chefin der Bundesagentur für Arbeit. Sie stellt fest, dass die Einstellungsbereitschaft der Unternehmen weiterhin gering bleibt. In vielen Branchen überwiegt Unsicherheit – sowohl wegen hoher Energiepreise als auch wegen einer schwächelnden Binnenkonjunktur und wachsender Bürokratie.
Deindustrialisierung nimmt Fahrt auf
Ein zentrales Problem: Die Deindustrialisierung schreitet weiter voran. Immer mehr energieintensive Unternehmen verlagern ihre Produktion ins Ausland – besonders in Länder mit niedrigeren Strompreisen und weniger regulatorischen Hürden. Laut dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) plant inzwischen jedes vierte Industrieunternehmen in Deutschland, seine Produktion ins Ausland zu verlagern. Das sind 25 Prozent der industriellen Betriebe – ein alarmierender Wert.
Eine andere Studie des ifo-Instituts zeigt: Der Anteil der Industrie an der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung ist in den letzten fünf Jahren von 23 Prozent auf unter 21 Prozent gesunken. Das ist ein Rückgang um über 8 Prozent. Damit verliert Deutschland nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch seine internationale Wettbewerbsfähigkeit in Schlüsseltechnologien wie Maschinenbau, Elektrotechnik und Chemie.
Rüstung als Stabilisator?
Volkswirtschaftlich sind die Effekte begrenzt: Zwar stieg die Zahl der Beschäftigten in der deutschen Rüstungsindustrie zuletzt auf über 60.000 – ein Plus von rund 15 Prozent gegenüber 2022 –, doch dieser Sektor kann die Arbeitsplatzverluste in klassischen Industriezweigen nicht kompensieren.
Wirtschaftspolitik ohne klare Richtung
Die neue Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD)¹ spricht im Gegensatz zu ihrem Vorgänger Hubertus Heil Klartext. „In vielen Unternehmen stehen aktuell Arbeitsplätze im Feuer“, sagt sie – und fordert wirtschaftspolitische Impulse, die Wachstum ermöglichen. Doch bislang bleibt die Regierung konkrete Maßnahmen schuldig. Weder bei Steuerentlastungen noch beim Bürokratieabbau oder der Förderung von Zukunftstechnologien wurde nennenswerter Fortschritt erzielt.
Wahlversprechen | Stand der Umsetzung |
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Steuererleichterungen für Unternehmen | Nur geringfügig umgesetzt. Das geplante Wachstumschancengesetz wurde mehrfach verwässert. Viele Unternehmen warten weiterhin auf echte Entlastung. |
Steuererleichterungen für Mitarbeiter | Kaum Fortschritte. Zwar gab es leichte Anpassungen bei Freibeträgen, aber inflationsbedingt bleibt real wenig übrig. Die kalte Progression ist weiterhin ein Problem. |
Einhaltung der Schuldenbremse | Wiederholt umgangen / ausgesetzt. Besonders 2025 wurden Sondervermögen und kreative Buchungstricks genutzt. Änderung des Grundgesetztes mit Übergangsregierung! |
Bürokratieabbau | Gegenteil ist eingetreten: Viele Unternehmen berichten von zunehmender Bürokratie, vor allem im Energiebereich und bei Förderanträgen. Das Bafrierefreiheitsgesetz ist ein weiter Stein im Weg der Unternehmer. Das häufig als Wettbewerbsnachteil kritisierte Lieferkettengesetz und das LUCID Verpackungsregister gibt es weiterhin. |
Stopp der illegalen Migration | Teilweise verschärfte Asylregeln, aber die Zahl der illegalen Grenzübertritte bleibt hoch. Abschiebungen finden weiterhin nur sehr eingeschränkt statt. Die Wege haben sich von den Außengrenzen hin zu den Flughäfen verlagert. Dort findet jedoch nur eingeschränkt Kontrolle statt. |
Niedrigere Energiepreise | Gegenteil eingetreten. Trotz Energiepreisbremsen gehören die Strompreise in Deutschland zu den höchsten weltweit. Viele Mittelständler klagen über Wettbewerbsnachteile. |
Förderung von Zukunftstechnologien | Einzelne Programme aufgelegt (z. B. für Chipfabriken), aber schleppende Umsetzung und geringe Reichweite. Im internationalen Vergleich hinkt Deutschland hinterher. Der große Wurf ist bislang nicht zu erkennen. |
Führende Wirtschaftsforscher warnen, dass Deutschland Gefahr läuft, den Anschluss an andere Industriestaaten zu verlieren. Länder wie die USA oder Südkorea investieren massiv in KI, Chipproduktion und erneuerbare Energien – während Deutschland zwischen Haushaltskrise, Fachkräftemangel und politischen Auseinandersetzungen stagniert.
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Mehr als eine Konjunkturdelle
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Über 650.000 zusätzliche Arbeitslose in nur drei Jahren, eine stagnierende Beschäftigung und eine rasant fortschreitende Deindustrialisierung. Der Boom in der Rüstungsindustrie mag kurzfristig für positive Schlagzeilen sorgen – doch für eine gesunde, zukunftsfähige Volkswirtschaft braucht es mehr: Investitionen in Bildung, Forschung und Digitalisierung. Deutschland steht an einem Scheideweg. Ob der politische Wille für einen echten Kurswechsel vorhanden ist, bleibt abzuwarten.
Mindestlohn heizt Problem an
Die Konjunktur in Deutschland bleibt weiterhin schwach, viele Unternehmen kämpfen mit hohen Energie- und Produktionskosten. In diesem fragilen wirtschaftlichen Umfeld wirkt die Erhöhung des Mindestlohns wie ein zusätzlicher Belastungsfaktor – insbesondere für arbeitsintensive Branchen. Steigen die Lohnkosten weiter, kann das dazu führen, dass Unternehmen verstärkt darüber nachdenken, ihre Produktion ins kostengünstigere Ausland zu verlagern.
Damit drohen nicht nur Arbeitsplätze verloren zu gehen, sondern auch wichtiges Know-how und Wertschöpfung, die bislang in Deutschland stattfanden.
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