DE I EN I ES I FR I PT

Die stille Krise der Mittelmanager – Wenn Management leidet

Mittelmanager befinden sich im mittleren Management und sind das Rückgrat der deutschen Unternehmenslandschaft – und zugleich das schwächste Glied in der Hierarchie. Sie sind Manager der mittleren Führungsebene, zuständig für die Umsetzung strategischer Entscheidungen und für die Führung operativer Teams. Doch während sie von außen häufig als komfortabel positionierte Führungskräfte erscheinen, erleben viele Mittelmanager ihren Arbeitsalltag als Spießrutenlauf zwischen widersprüchlichen Anforderungen. Der Spagat zwischen Vorstand und Belegschaft wird immer größer – und für viele zur dauerhaften Belastung.

Das strukturelle Dilemma der Mittelmanager

Die zentrale Herausforderung für das mittlere Management liegt in der „Sandwichposition“. Von oben kommen strategische Vorgaben, Restrukturierungen, Effizienzziele und die Einführung neuer Technologien. Von unten kommen Bedürfnisse nach Klarheit, menschlicher Nähe, Beteiligung und Schutz. Der Mittelmanager steht dazwischen – oft ohne Rückendeckung, oft ohne echte Entscheidungskompetenz.





Während der Vorstand agiert, denkt und lenkt, muss das mittlere Management umsetzen, motivieren und gleichzeitig das Team bei Laune halten. Häufig muss der Abteilungsleiter Ziele vertreten, die er selbst nicht mittragen kann.

Seine Position ist strategisch zu niedrig, um mitgestalten zu dürfen – und operativ zu hoch, um im Alltag als einer „von uns“ zu gelten. Diese Ambivalenz macht den Mittelmanager zur Reibungsfläche in Unternehmen.

Handwerker Ausbildung

Von Held zu Überlastetem: Wie sich die Rolle verändert hat

Was früher als Karriere-Meilenstein galt, ist heute für viele ein Schleudersitz. Die Ansprüche an das mittlere Management sind in den letzten Jahren massiv gestiegen – und zwar sowohl quantitativ als auch qualitativ. Neben betriebswirtschaftlichen Zielen wird erwartet, dass sie empathisch führen, Konflikte moderieren, Veränderungsprozesse begleiten und gleichzeitig ein Vorbild für Leistungsbereitschaft und Belastbarkeit sind. Sie sollen gleichzeitig Coach, Controller, Change-Manager und Kulturwächter sein.

Eine Studie der DAK-Gesundheit zeigte bereits vor der Corona-Krise, dass fast jeder zweite Manager regelmäßig unter Stress leidet. Inzwischen ist die Lage noch angespannter. Die Krankenkasse pronova BKK berichtete 2024, dass 61 % der Arbeitnehmer sich durch ihre Arbeit psychisch belastet fühlen¹ – Führungskräfte eingeschlossen. Besonders betroffen: Mittelmanager, die Verantwortung tragen, aber wenig Gestaltungsspielraum haben.

 

Psychische Gesundheit auf dem Spiel

Eine aktuelle Erhebung des BKK-Dachverbandes zeigt: Die Fehlzeiten aufgrund psychischer Erkrankungen sind im Jahr 2023 um 47 % gestiegen – ein historischer Höchststand. Besonders häufig betroffen sind Führungskräfte der mittleren Ebene. Burnout, depressive Episoden, Erschöpfungszustände – die Liste der Diagnosen ist lang.

Hinzu kommt die Unsichtbarkeit der Problematik. Während Topmanager in der Regel persönliche Assistenzen, Coachings und Rückzugsmöglichkeiten haben, kämpfen Mittelmanager oft allein. Sie sind zu hoch für den Flurfunk, zu niedrig für den Vorstand. Ihre Probleme werden selten thematisiert – und noch seltener gelöst.

 

Wie Unternehmen reagieren sollten – und was Mittelmanager brauchen

Wenn Mittelmanager ausfallen, sind die Folgen gravierend: Projekte verzögern sich, Mitarbeitermotivation sinkt, Veränderungsprozesse scheitern. Daher ist es höchste Zeit, dass Unternehmen diese kritische Zielgruppe stärker in den Fokus nehmen. Die folgenden Maßnahmen können helfen, die Lage zu entspannen:

1. Klare Verantwortungsbereiche schaffen

Viele Mittelmanager klagen über mangelnde Abgrenzung ihrer Aufgaben. Sie sollen „alles managen“, aber haben keine klaren Prioritäten. Hier braucht es eine saubere Aufteilung von strategischen, operativen und personellen Zuständigkeiten – und realistische Zielvorgaben. Wer ständig das Gefühl hat, nie genug zu leisten, brennt aus.

2. Führungskräftetrainings mit echtem Praxisbezug

Standard-Seminare zur Mitarbeiterführung helfen Mittelmanagern selten. Stattdessen braucht es Trainings, die sich mit den realen Herausforderungen befassen: Wie führt man Teams durch Change-Prozesse? Wie geht man mit chronischer Überlastung um? Wie delegiert man in flachen Hierarchien?

3. Psychologische Unterstützung normalisieren

Führungskräfte Coaching, Supervision und psychologische Beratung sollten kein Tabu sein, sondern selbstverständlich zum Alltag eines Mittelmanagers gehören. Hier ist auch die Unternehmenskultur gefragt: Wer Schwäche zeigen darf, ist langfristig stärker.

4. Rückendeckung durch den Vorstand

Mittelmanager brauchen das Gefühl, dass ihre Arbeit wertgeschätzt wird – auch dann, wenn es nicht rund läuft. Führung von oben bedeutet auch, die mittlere Ebene nicht mit unrealistischen Erwartungen zu überfrachten. Wer Verantwortung überträgt, muss auch Vertrauen schenken.

5. Zeit für strategisches Denken ermöglichen

Viele Mittelmanager wünschen sich mehr Zeit, um die eigenen Teams und Prozesse weiterzuentwickeln. Stattdessen sind sie häufig im operativen Tagesgeschäft gefangen. Hier können digitale Tools, Assistenzfunktionen oder bessere Meeting-Kultur helfen, Freiräume zu schaffen.




Fazit: Mittelmanager stärken heißt Unternehmen stabilisieren

Die Rolle des Mittelmanagers ist heute anspruchsvoller denn je. Sie sind Kommunikatoren, Übersetzer, Konfliktlöser und Strategen in Personalunion. Gleichzeitig sind sie häufig die Ersten, die unter der Belastung leiden – und die Letzten, die gehört werden. Es ist an der Zeit, ihnen die Unterstützung zu geben, die sie verdienen.

Unternehmen hilft es nichts, Top Talente einzustellen um, Sie dann als Mittelmanager verhungern zu lassen. Firmen sollten statt dessen ihre Mittelmanager gezielt fördern und in diese investieren nicht nur in einzelne Führungskräfte – sie sichern die Stabilität ihrer gesamten Organisation. Denn wenn das Rückgrat bricht, kann auch der Rest nicht mehr aufrecht stehen.

Unsere Autoren schreiben in ihrer Freizeit. Danke für's bewerten
[Gesamt: 2 Schnitt: 4]
Von Chris