In vielen mittelständischen Unternehmen zeigt sich ein gefährlicher Trend: Die emotionale Entkopplung von Führungskräften und ihren Teams. Was wie ein abstraktes Phänomen klingt, hat konkrete Folgen – für Motivation, Produktivität und letztlich auch für den Unternehmenserfolg. Studien wie der aktuelle Gallup Engagement Index¹ liefern besorgniserregende Zahlen: Nur noch 21 Prozent der Beschäftigten weltweit sind engagiert bei der Arbeit – der niedrigste Wert seit Jahren. Und auch Führungskräfte selbst sind betroffen: Ihr Engagement sank von 30 auf 27 Prozent.
Was bedeutet das für Unternehmen im Mittelstand, deren Erfolg oft von einem stabilen, motivierten Team abhängt? Die Antwort ist klar: Es braucht ein radikales Umdenken in der Führungskultur.
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Führung verkommt zur Funktion
Die emotionale Verbindung zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden war einst das Rückgrat guter Teamarbeit. Heute verkommt Führung in vielen Fällen zur bloßen Koordinationsrolle. Entscheidungen werden im E-Mail-Loop getroffen, Gespräche durch Tools ersetzt, Präsenz durch permanente Erreichbarkeit simuliert. Führungskräfte sind zwar operativ aktiv – aber emotional oft abwesend.
Diese Entkopplung hat dramatische Auswirkungen. Der psychologische Vertrag, der auf gegenseitigem Vertrauen und Wahrnehmung basiert, beginnt zu bröckeln. Mitarbeiter ziehen sich zurück, engagieren sich weniger, kommunizieren seltener. Was bleibt, ist der berühmte „Dienst nach Vorschrift“ – eine gefährliche Trägheit, die Innovation und Wachstum hemmt.
Wenn Chefs innerlich kündigen
Die Konsequenz: Auch sie klinken sich aus – emotional, manchmal auch physisch. Und mit jeder Führungskraft, die innerlich kündigt, verliert das Team seine Orientierung. Führung ist nicht nur Zielvereinbarung – sie ist Atmosphäre.
Die Chefs sind mit der innerlichen Kündigung übrigens nicht allein. Jeder fünfte Mitarbeiter hat innerlich gekündigt! Die Zahlen sind alarmierend und dennoch für die meisten Firmen nicht greifbar. Woran ein Mitarbeiter, der innerlich gekündigt hat, erkennbar ist, haben wir hier zusammen gestellt: Jeder 5. hat innerlich gekündigt!
Neue Zeiten, neue Führung
Die Ursachen für die Entkopplung sind vielfältig. Remote- und Hybridarbeit haben Strukturen und Gewohnheiten durcheinandergewirbelt. Viele Führungskräfte wurden auf diese neue Realität nicht vorbereitet. Virtuelle Meetings ersetzen keine echte Nähe, Tool-Benachrichtigungen kein „Wie geht’s dir heute?“ in der Kaffeeküche. Dazu kommt der Druck, jederzeit erreichbar und entscheidungsfähig zu sein. Das Ergebnis: digitale Erschöpfung.
Doch genau diese Entwicklung ist auch eine Chance. Eine Chance, sich ehrlich mit der eigenen Führungsrolle auseinanderzusetzen und neue Wege zu gehen. Wer jetzt in echte Beziehung investiert, gewinnt.
Was jetzt hilft
- Selbstreflexion: Bin ich noch spürbar für mein Team – oder nur erreichbar?
- Verlässliche Kommunikation: Regelmäßige, offene Gespräche – auch über Unsicherheiten und Grenzen.
- Empathie trainieren: Nähe lässt sich auch auf Distanz schaffen – durch echtes Zuhören und Vertrauen.
- Rollenklärung: Weniger operative Überlastung, mehr Zeit für Führung.
- Wertschätzung sichtbar machen: Lob, Feedback, kleine Zeichen – sie stärken die Bindung.
Für Führungskräfte bedeutet das auch, sich selbst Unterstützung zu holen. Coaching-Angebote für Führungskräfte oder Peer-Gruppen helfen, den Blick zu schärfen und das eigene Führungsverhalten anzupassen. Gleichzeitig sollten Unternehmen in eine Kultur der Mitarbeiterbindung investieren – und dabei auf echte Verbindung statt Benefits setzen.
Führung braucht Nähe, nicht Kontrolle
Die aktuelle Entwicklung ist ein Weckruf. Wer weiterhin auf Kontrolle, Prozesse und reine Zielorientierung setzt, wird die besten Köpfe verlieren – Führungskräfte wie Mitarbeitende. Der Mittelstand lebt von Nähe, von Vertrauen, von Menschen, die für eine Sache brennen. Dafür braucht es wieder mehr echte Führung. Präsenz. Haltung. Und das ehrliche Interesse am Menschen.
Die gute Nachricht: Führung ist lernbar. Nähe ist trainierbar. Und wer heute investiert, schafft die Basis für morgen – menschlich wie wirtschaftlich.