Das Bundesverfassungsgericht stärkt die kommunale Steuerhoheit – IHK warnt vor einem regulatorischen Flickenteppich
Das Bundesverfassungsgericht hat am 22. Januar 2025 die Verpackungssteuer der Stadt Tübingen für verfassungsgemäß erklärt. Damit wird der Kommunen eine erweiterte Steuerhoheit zugesprochen, die jedoch in Zeiten von Rekord-Steuereinnahmen etwas überraschend daher kommt und für Irritation sorgt. Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass weitere Städte und Gemeinden über die Einführung einer ähnlichen Abgabe nachdenken. Doch während einige Kommunen auf zusätzliche Einnahmen hoffen, warnen Wirtschaftsverbände vor weitreichenden Konsequenzen.
IHK-München und Oberbayern: Bürokratie und Kostenexplosion drohen
Die Industrie- und Handelskammer (IHK) für München und Oberbayern sieht in der neuen Steuer einen zusätzlichen finanziellen und bürokratischen Aufwand für Unternehmen. IHK-Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl bringt es auf den Punkt:
„Eine Verpackungssteuer wäre eine zusätzliche finanzielle und bürokratische Belastung für die heimische Wirtschaft. Es droht ein unübersichtlicher Flickenteppich aus kleinteiligen und wahrscheinlich auch kommunal unterschiedlichen Regelungen.“
Für Gößl ist dies kein Einzelfall: „Unsere Unternehmen und unsere Verwaltungen werden seit Jahren mit Mikroregulierungen überschüttet.“ Diese Einschätzung unterstreicht die Befürchtung, dass ein uneinheitliches Regelwerk den Wettbewerb verzerren und administrative Kosten in die Höhe treiben könnte.
EU-Regelungen als bestehende Belastung
Die Kritik der IHK fügt sich in die bereits lang andauernde Diskussion um Verpackungsverordnungen auf EU-Ebene ein. Neben der EU-Einwegkunststoffrichtlinie und der bisherigen EU-Verpackungsrichtlinie ist auch die kürzlich beschlossene neue EU-Verpackungsverordnung in Kraft getreten. Unternehmen sehen sich damit bereits einer Vielzahl von Vorgaben gegenüber – der Spruch „zu viel des Guten“ scheint in diesem Kontext fast Programm zu sein.
Die bestehenden Regelungen zielen zwar darauf ab, Verpackungsmüll zu reduzieren und nachhaltige Lösungen zu fördern, doch Kritiker befürchten, dass zusätzliche kommunale Steuern den Regulierungsdruck weiter erhöhen und den administrativen Aufwand für Unternehmen erheblich steigern könnten. Wer sich mit dem LUCID Verpackungsregister herumschlagen musste, kennt den damit verbundenen Aufwand nur zu gut.
Zwischen fiskalischem Bedarf und Wettbewerbsfähigkeit
Für Kommunen, die mit knappen Haushaltsmitteln kämpfen, bieten neue Steuereinnahmen eine willkommene finanzielle Entlastung. Gerade in strukturschwachen Regionen könnte die Verpackungssteuer als Instrument zur Stabilisierung der kommunalen Finanzen dienen. Allerdings muss dabei abgewogen werden, inwiefern diese Maßnahme die Wettbewerbsfähigkeit der ansässigen Unternehmen beeinträchtigt.
Unternehmen, insbesondere solche, die stark im Bereich Verpackungen und Konsumgüter tätig sind, stehen vor der Herausforderung, zusätzliche Kosten in ihre Kalkulationen aufnehmen zu müssen. Gleichzeitig könnte die uneinheitliche Handhabung der Steuer – je nach Kommune unterschiedlich geregelt – zu einem Wettbewerbsnachteil im nationalen und internationalen Vergleich führen.
Blick über den Tellerrand
In vielen EU-Mitgliedsstaaten gibt es bereits steuerliche oder abgabenbasierte Ansätze, um den Einsatz von Verpackungen zu regulieren – wenngleich die konkreten Instrumente von Land zu Land variieren. So werden in Frankreich beispielsweise Abgaben auf Einwegverpackungen und nicht recyclebare Kunststoffe erhoben, um den Umstieg auf nachhaltigere Alternativen zu fördern.
Auch Italien hat mit spezifischen Steuern auf bestimmte Verpackungsmaterialien den Weg in Richtung Kreislaufwirtschaft eingeschlagen. Darüber hinaus setzen die Niederlande und Belgien auf Modelle, in denen über erweiterte Herstellerverantwortung indirekte Verpackungsabgaben anfallen. Länder wie Irland und Dänemark, die schon früh mit Plastikbeutelabgaben experimentierten, zeigen, dass auch gezielte Steuerinstrumente einen wesentlichen Beitrag zur Reduktion von Verpackungsmüll leisten können.
Ein zweischneidiges Schwert
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts markiert einen wichtigen Meilenstein in der Steuerpolitik der Kommunen. Während die zusätzliche Steuerhoheit den Städten finanzielle Spielräume eröffnet, müssen die möglichen negativen Effekte auf die heimische Wirtschaft sorgfältig bedacht werden. Die Warnung der IHK unterstreicht, dass bereits jetzt ein Übermaß an Regelungen und administrativen Vorgaben besteht – eine weitere Belastung könnte diesen Zustand noch verschärfen.
Die kommenden Monate werden zeigen, wie sich die Diskussion um die Verpackungssteuer weiterentwickelt und welche konkreten Maßnahmen von den Kommunen ergriffen werden. Für Unternehmen und Wirtschaftsverbände bleibt es essenziell, frühzeitig auf mögliche Anpassungen zu reagieren und die Entwicklungen im Blick zu behalten.