Bei ProSiebenSat.1 weht seit dieser Woche ein neuer Wind: Marco Giordani, langjähriger Finanzchef bei MFE–MediaForEurope (der von der Familie Berlusconi kontrollierten Gruppe), übernimmt mit sofortiger Wirkung den Vorstandsvorsitz. Parallel treten CEO Bert Habets, Finanzchef Martin Mildner und COO Markus Breitenecker ab; die CFO-Rolle übernimmt interimistisch Bob Rajan, die COO-Position entfällt. Das Unternehmen spricht von einem geordneten Übergang, Habets bleibt bis Jahresende als Senior Advisor an Bord. Diese Maßnahmen markieren den Komplettumbau bei Pro7 an der Konzernspitze und sollen die strategische Neuausrichtung beschleunigen.
Seiteninhalt:
Was hinter dem Schritt steckt
MFE hat in den vergangenen Monaten seine Beteiligung an ProSiebenSat.1 massiv ausgebaut und nach einer erfolgreichen Übernahmeofferte im September die Kontrolle erlangt. Der jetzige Managementwechsel ist daher weniger Überraschung als logische Folge der neuen Eigentümerstruktur. MFE betont Effizienz, Finanzdisziplin und eine schnellere Umsetzung der Strategie. Der Komplettumbau bei Pro7 verleiht der italienischen Eigentümerlogik unmittelbaren Einfluss auf Programm, Kosten und Organisation.
Programm, Kosten, Kultur: Wo der Druck am größten ist
Die deutsche TV-Werbebranche steht seit Jahren unter Druck: Streaming-Konkurrenz, fragmentierte Zielgruppen und sinkende Reichweiten im linearen TV zwingen Sender zu klaren Profilen, skalierbaren Formaten und digitaler Monetarisierung. Joyn als werbefinanzierte Streaming-Plattform ist dabei ein Kernelement – unter Habets wurde sie bereits stärker ins Zentrum gerückt, nun dürfte MFE noch konsequenter auf Reichweiten- und Erlösintegration zwischen TV und Digital drängen. Der Komplettumbau bei Pro7 ist deshalb nicht nur ein Personalwechsel, sondern ein Kultur- und Kostenprojekt mit direkter Wirkung auf Sendeplätze, Rechteportfolios und Produktionsbudgets.
Italienischer Führungsstil: Top-down statt Teamkultur
Mit dem Einstieg der Berlusconi-Familie hält bei ProSiebenSat.1 auch ein typisch italienischer Führungsstil Einzug. Entscheidungen werden künftig stärker zentral gefällt, Diskussionen oder längere Abstimmungsprozesse dürften seltener werden. Ein ähnliches Schicksal ereilte die Traditionsbank HypoVereinsbank nach deren Übernahme durch die italienische UniCredit: klare Hierarchien, weniger Raum für Diskussion und ein hoher Fokus auf Kostendisziplin. Diese Mentalität mag kurzfristig für Effizienz sorgen, birgt aber Risiken für die Unternehmenskultur. Klar ist: das Mindset im Unternehmen Pro7 wird sich verändern. Mitarbeiter müssen sich auf ein deutlich autoritäreres Klima einstellen – ein Wandel, der in der deutschen Medienlandschaft durchaus Reibung erzeugen könnte.
Weniger Wokeness, mehr Mitte
Inhaltlich dürfte der neue Kurs ebenfalls spürbar werden. Unter den bisherigen Verantwortlichen hatte sich ProSiebenSat.1 immer stärker einer linken, teils aktivistischen Programmausrichtung verschrieben – mit Pride-Wochen, Gender-Leitfäden und Dauerberichterstattung zu gesellschaftspolitischen Themen. Das kam nur bei einem Teil des Publikums gut an. Es kostete vor allem in der Breite Quote. Berlusconi und seine Berater wollen nun wieder stärker die gesellschaftliche Mitte ansprechen: Unterhaltung statt Umerziehung, Gespräch statt Belehrung. Dieses Signal könnte aufgehen – denn ein Sender, der den Alltag und Humor der Mehrheit abbildet, statt sich in politischen Statements zu verlieren, dürfte verlorene Zuschauer eher zurückgewinnen als weiter verlieren.
Welche Veränderungen Zuschauer und Werbekunden erwarten können
Für Zuschauer könnten die Programmfarben spürbarer pragmatisch werden: stärkere Fokussierung auf Formate mit klaren Reichweiten- und Werbewerten, engere Verzahnung von TV-Premieren und Joyn-Exklusives, straffere Taktung von Event- und Daytime-Strecken. Für Werbekunden ist zu erwarten, dass Inventar, Datenprodukte und Addressable-TV-Angebote gebündelter vermarktet werden. Auch auf Produzentenseite dürfte MFE–Logik gelten: Wer Effizienz, wiederverwertbare IP und internationale Adaption liefert, wird bevorzugt. Der Komplettumbau bei Pro7 heißt also: weniger Bauchladen, mehr Portfolio-Disziplin.
Top-Management: Personalien und Implikationen
- Marco Giordani (CEO): Kommt aus der CFO-Rolle bei MFE; steht für finanzielle Stringenz, schnelle Entscheidungswege und direkte Berichtslinien.
- Bert Habets (Senior Advisor bis 31.12.): Sichert Übergabe und Projekte ab, vor allem bei Joyn und der Vereinheitlichung des Portfolios.
- Interim-CFO Bob Rajan: Signalisiert, dass Finanzen/Controlling vorerst eng mit MFE-Taktung laufen; die COO-Funktion wird nicht nachbesetzt.
Einordnung für den deutschen Medienmarkt
Mit der verfestigten MFE-Mehrheit bei ProSiebenSat.1 ist ein europäischer Player entstanden, der Pan-EU-Skaleneffekte suchen wird: Content-Einkauf, Tech-Stacks, Sales-Bundles und Datenprodukte. Für den Standort Deutschland bedeutet das: mehr Ergebnisorientierung, weniger Parallelstrukturen. Für Wettbewerber steigt der Druck, Plattform- und Datenkompetenz auszubauen.
Zahlen zum Rückgang der Nutzung: 2024 sank die tägliche TV-Nutzung in Deutschland im Marktstandard TV von 182 auf 176 Minuten – ein Minus von 3,3 %. Bei den 14–49-Jährigen ging die Sehdauer von 87 auf 83 Minuten zurück (–4 Minuten bzw. –4,6 %). Parallel schrumpfte der Anteil der Bevölkerung, die überhaupt noch klassisches Fernsehen nutzt, binnen eines Jahres von 92 % auf 86 % (–6 Prozentpunkte). Diese Verschiebung hin zu Streaming erklärt einen großen Teil der rückläufigen Reichweiten im Privatfernsehen – und damit auch die schwächeren Quoten bei ProSiebenSat.1. Studie¹ Studie²
▶ Tipp: Nebenjob von zuhause
Digitaler Hebel: Warum „AI-optimierter Content“ jetzt zum Pflichtprogramm wird
Wer in einem Umfeld schärferer Budgets weiterhin Reichweite generieren will, muss die digitale Sichtbarkeit systematisch optimieren – nicht nur on platform (Joyn), sondern auch in Search, Social und auf den eigenen Domains. Wie Unternehmen ihre Inhalte heute so strukturieren, dass sie in ChatGPT, Perplexity & Co. sichtbar werden, zeigt dieser Leitfaden: AI optimierter Content. Für Sender, Produktionsfirmen und Werbekunden ist das ein sofort hebbarer Effizienzhebel – passend zum Komplettumbau bei Pro7.
Risiken und Chancen
Die Chance: klare Governance, schnellere Entscheidungen, konsequente Cash- und Content-Steuerung. Das Risiko: kulturelle Reibungen, Abwanderung kreativer Köpfe, kurzfristige Einsparungen mit Langfristkosten. Entscheidend wird sein, ob der Komplettumbau bei Pro7 die Balance aus finanzieller Disziplin und kreativem Mut wahrt – und ob Joyn zur verlässlichen Wachstumsmaschine wird.
Was ist der Auslöser für den Wechsel an der Spitze?
Bleibt Bert Habets im Unternehmen?
Wer ist neuer Finanzchef?
Was heißt das für das Programm?
Worauf sollten Werbekunden achten?
Komplettumbau bei Pro7
ProSiebenSat.1 erhält eine neue Leitungsarchitektur und straffere Strukturen. Der Komplettumbau bei Pro7 folgt dem Kontrollzugriff der MFE-Gruppe und zielt auf Effizienz, digitale Skalierung (Joyn) und ein klareres Programmprofil. Für Zuschauer kann das mehr Stringenz bedeuten; für die Branche verschärft es den Wettbewerb um Content, Talente und Technologien. Wie nachhaltig die Neuaufstellung wirkt, entscheiden die kommenden Programm- und Investitionszyklen – und ob aus dem Komplettumbau bei Pro7 tatsächlich ein Wachstumsplan wird.